IM GRUNDE GUT

So heißt der Titel von einem Buch von Rutger Bregman, das beschreibt, dass wir Menschen im Grunde gut sind (sehr zu empfehlen, auch als Hörbuch auf spotify)
Ich glaube immer noch an dieses Narrativ, auch im Angesicht der aktuellen Ereignisse. Und ich glaube, dass es für Friedensverhandlungen wichtig ist, daran zu glauben.
Ich erinnere mich, dass ich vor ein paar Monaten einen alten Film ansah, der im 2. Weltkrieg spielte. Die Männer sangen und waren guten Mutes, bereit in eine heldenreiche Schlacht zu ziehen, um ihr Vaterland zu verteidigen, zu retten und als Helden zurück zu kehren. Sie hatten die Sehnsucht, für etwas Gutes zu gehen und ihren Mann zu stehen.
Es kam aber wie wir wissen, ganz anders.
Sie wurden betrogen. Sie hatten einer Propaganda und Ideologie Glauben und Vertrauen geschenkt, von der sie nicht wussten, dass sie eine Lüge war und sie nur für einen egoistischen Wahnsinn missbraucht wurden. Wenn sie diesen denn überlebten, blieben sie und ihre Generationen danach voller Schuld, Traumata und Scham für ihre Taten zurück.
Ich musste plötzlich total weinen, weil ich auf einmal diesen Schmerz spürte, wie junge Menschen einfach um ihre Zukunft und ihr Leben gebracht werden, einfach weil sie sich anvertraut hatten, einfach weil sie Gut sein wollten… und das jemand ausgenutzt hat. Das tut mir sehr weh.
Nun sitze ich vor dem Fernseher und schaue zu, wie Teile von einem alten Film ablaufen, eine Wiederholung. Ich kenne das, das hab ich schon mal gehört und gesehen…
Das kann doch nicht nochmal passieren. Das macht ja keinen Sinn. Warum die selben Fehler wiederholen? Schon wieder einer dieser Träume aus der Vergangenheit… sicher ist er bald vorbei. Nein, es passiert tatsächlich. Anders, aber auf einer Weise ähnlich. Ich muss es mir immer wieder sagen, auch wenn ich es eigentlich nicht glauben will. Despoten orientieren sich an Despoten. Was haben wir übersehen, was sollen wir nochmal begreifen. Was oder wer will da gehört werden?
Ich mag Putins tatsächliche Wahrheit hören. Das würde ich gerne, auch wenn ich Angst davor habe. Gelesen habe ich schon Einiges dazu, andere Blickwinkel aufgenommen, über die ich dankbar bin, da ich etwas Verständnis gewann. Ich bin mir im Klaren darüber, dass der Westen ebenso viel Dreck am Stecken hat und Fehltritte der Vergangenheit zu dem beigetragen haben, was heute passiert. Darauf braucht es ebenfalls einen Blick und zwar dringend! Dennoch rechtfertigt es das, was gerade passiert, aus meiner Sicht nicht… sonst bräuchte es ja auch keine Lügenpropaganda, die den Feind zum Monster macht. Das kennen wir auch schon und leider funktioniert es offenbar immer noch.
Dennoch würde ich ihm gerne zuhören. Also nicht die Lügen und falschen Töne, das Echte. Hören, was ihn so wütend macht. Hören, was ihn veranlasst das zu tun, was er tut. Was ist es wirklich? Wo ist der Weg, den wir gehen können, um Frieden zu bekommen? Ich wüsste es gerne. Ja, sehr gerne.
Denn alles, was mir gerade sinnvoll scheint ist: Waffenruhe, Friedensverhandlungen, Deeskalation. Dafür müssen wir verstehen und einen Blick in die Geschichte werfen, auch in die jüngere…
Ich habe schon oft darüber nachgedacht, ob ich damals im 2. Weltkrieg wohl den Mut gehabt hätte, mich zu wehren… Ich fand bislang keine Antwort nur Hoffnung. Ich habe es mir in meinen Vorstellungen häufig ausgemalt, dass viele Menschen, den Mut in sich gefunden und so die Geschichte umgeschrieben hätten.
Heute dachte ich kurz, das russische Volk muss das Blatt wenden. Also nach dem Motto: es ist Krieg und keiner geht hin. Die Proteste auf den Straßen zeigen, dass Viele gegen diesen Krieg sind. Ich möchte ihnen zurufen, dass sie aus der Geschichte von Schuld und Scham noch eine Heldengeschichte schreiben können. Putin hat nicht die Macht. Sein Volk hat die Macht.
Ich wünsche den Russen die Möglichkeit und den Mut, sich gegen diesen sinnlosen Krieg, der in ihrem Namen geschieht, zu wehren.
Ich wünsche dem Westen den Mut, nochmal in die Vergangenheit zu blicken und gründlich aufzuräumen, Fehler zu erkennen und einzugestehen, zu vergeben, um Verzeihung zu bitten, zu handeln.
Aber was weiss ich schon...
Im Grunde Mut.
Bild: ukrainian artist: Oksana Bilyk: The Guardian

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